Antrag: Unterstützung für Opfer bildbasierter sexualisierter Gewalt verbessern – spezialisierte Informationsangebote bereitstellen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Bildbasierte sexualisierte Gewalt ist ein zunehmend relevantes Phänomen, das durch die Digitalisierung massiv an Bedeutung gewonnen hat. In einer Welt, in der der Austausch von Bildern und Videos über soziale Medien und private Netzwerke in Sekundenschnelle erfolgen kann, entstehen neue Formen der Gewalt. Insbesondere das Aufnehmen, Manipulieren und Verbreiten von Bildaufnahmen, die Personen in sexualisierten Kontexten zeigen, stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Rechte der Betroffenen dar.

Diese Art der Gewalt umfasst eine Vielzahl von Erscheinungsformen. Hierunter zählt die sog. Sextortion, bei der Täter[1] mit der Veröffentlichung von Nacktaufnahmen oder sexuell expliziten Bildern drohen; oder dem sog. „Revenge Porn“, bei dem Täter die zuvor einvernehmlich hergestellten intimen Aufnahmen ohne Zustimmung oder gegen den Willen der Opfer verbreiten, um Macht über das Opfer auszuüben. Die Bilder und Videos werden entweder dem Opfer geschickt, in sozialen Netzwerken verbreitet oder heimlich auf Pornoplattformen hochgeladen, begleitet von persönlichen Daten und herabwürdigenden Kommentaren. Diese Inhalte werden dann benutzt, um die Betroffenen zu schikanieren, zu mobben oder zu kontrollieren. Sobald die Inhalte einmal im Netz sind, verbreiten sie sich schnell und unkontrollierbar. Selbst wenn sie von einer Plattform entfernt werden, besteht die Gefahr, dass bereits weitere Kopien angefertigt und verbreitet werden.

Besonders alarmierend sind sog. Deepfakes. Hierbei handelt es sich um mittels Künstlicher Intelligenz erstellte manipulierte Bilder oder Videos, die täuschend echt wirken. Eine besonders verwerfliche Nutzweise dieser Deepfakes ist die, bei der Personen fälschlicherweise in sexualisierten Situationen dargestellt werden. Mit leicht zugänglichen Deepfake-Apps kann nahezu jede*r solche Inhalte erstellen, solange ein digitales Foto der betroffenen Person verfügbar ist. Dies betrifft praktisch jede Person, deren Bilder im Internet oder in sozialen Netzwerken zugänglich sind, was die potenzielle Reichweite und das Ausmaß dieses Problems verdeutlicht.

Einmal im Netz ist der irreversible Schaden für die betroffene Person auch bereits eingetreten, während die Strafverfolgung erst mit zeitlicher Verzögerung ansetzen kann. Das führt dazu, dass viele Opfer sich schutzlos fühlen und den Eindruck haben, dass sie rechtlich kaum Möglichkeiten haben, sich effektiv gegen diese Form der Gewalt zu wehren.

Wie notwendig der Handlungsbedarf im Hinblick auf bildbasierte sexualisierte Gewalt ist, zeigt auch das Bundeslagebild Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten für das Jahr 2023, woraus hervorgeht, dass sich im Bereich der Digitalen Gewalt die Opferzahlen um 25% zum Vorjahr gesteigert haben und sich im 5-Jahres Vergleich sogar mehr als verdoppelt haben.[2]

 

Der Landtag bittet daher die Landesregierung:

 

Eine zentrale Informationsstelle für Opfer bildbasierter sexualisierter Gewalt bei der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen zu schaffen.

 

Begründung

 

Bildbasierte sexualisierte Gewalt stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung und das Recht am eigenen Bild dar.

Deepfakes sind in kürzester Zeit und mit geringstem Aufwand erstellt. Diese Schnelligkeit der Erstellung gepaart mit der täuschenden Echtheit der generierten Bilder kann zu einer massiven Gefährdung des Sicherheitsgefühls aller in unserer Gesellschaft lebenden Menschen führen.

Neben der bereits existierenden Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet (ZHIN) der Staatsanwaltschaft Göttingen, wird daher als Ergänzung eine Anlaufstelle benötigt, die über die reine Strafverfolgung hinausgehend, beraten kann. Opfer von bildbasierter sexualisierter Gewalt sehen sich häufig nicht nur mit den unmittelbaren Folgen der Veröffentlichung konfrontiert, sondern auch mit tiefgreifenden psychischen Belastungen. Scham, Angst und das Gefühl des Kontrollverlustes über die eigene Intimsphäre belasten die Betroffenen oft schwer. Daher ist es notwendig, dass eine spezialisierte Informationsstelle geschaffen wird, die den Opfern rechtlichen Beistand sowie psychologische Unterstützung bietet. Solche Stellen müssen auf die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen von digitaler Gewalt eingehen können und eng mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten, um den Geschädigten einen wirksamen Schutz und eine nachhaltige Unterstützung zu ermöglichen.

Damit steht die Schaffung einer Informationsmöglichkeit auch im Einklang mit der Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Bekämpfung gegen Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.[3] Niedersachsen wäre somit das erste Bundesland welches Vorgaben der EU-Gewaltschutzrichtlinie umsetzen würde.

Die Betroffenen brauchen einen geschützten Raum, in dem sie über ihre Erlebnisse und Erfahrungen sprechen können. Eine solche Stelle leistet Unterstützung und klärt über rechtliche Möglichkeiten auf. Viele Opfer wissen nicht, welche Schritte sie unternehmen können, um gegen die Verbreitung ihrer Bilder vorzugehen, oder sie fürchten sich vor den Konsequenzen einer Anzeige. Informationen einer fachkundigen Stelle können hier Orientierung geben und den Betroffenen helfen, ihre Rechte wahrzunehmen und angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

Eine Angliederung der Informationsstelle bei der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen bietet sich daher aus Gründen der Ressourcen- und Informationsbündelung ideal an.

[1] Die Tatverdächtigen in der Fallgruppe Digitale Gewalt sind zu 79,8 Prozent männlich. (Bundeslagebild Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023, S. 34).

[2] Bundeslagebild Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023, S. 34.

[3] EU-Richtlinie 2024/1385 v. 14.05.2024.

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